Jahrhundertelang zog das Volk der Ju/‘Hoansi als Nomaden durch die Savanne. Bis ein Gesetz ihnen Anfang der 90er Jahre die Jagd verbot. Ein Einschnitt in die Lebensweise, der größer nicht sein könnte. Doch trotz erzwungener Sesshaftigkeit wird man jedoch auch fast 30 Jahre nach dem Erlass Ziegenherden und Ackerbau in den Siedlungen der einstigen „Buschmänner“ vergeblich suchen. Die ehemals geschickten Jäger leben heute von mildtätigen Gaben des Staates und vom Tourismus. Feuer machen, Bogenschießen und Schmuck verkaufen – „wir müssen mit Touristen arbeiten um zu überleben“, analysieren die sonst durch unzählige Fotoapparate und Handy-Linsen Beobachteten selbst ihre Lage. In der Doku „Ghostland“ von Simon Stadler, Catenia Lermer und Sven Methling schlägt sich die Kamera auf die Seite „der Anderen“. Die Touristen werden zu Erforschten und die Ju/‘Hoansi schließlich selbst zu Touristen.
Eine Umkehrung der sonst üblicherweise eingenommenen Perspektive, die durchaus von gegenseitigem Respekt getragen scheint. Peinliches gibt es kaum. Wirklich vorgeführt wird in den knapp 90 Minuten niemand. Zu humorvoll anmutenden Situationen kommt es dafür regelmäßig.
Von Namibia ins Land der Geister
Als Betrachter sitzt man nicht nur einmal seinem Unwissen oder dem einen oder anderen Vorurteil auf. Mit dem Reisebus brechen Teile der Bevölkerung in Begleitung eines deutschen NGO-Mitarbeiters zunächst zu einer Reise durch Namibia und später in kleinerer Gruppe per Flieger nach Europa – ins Land der weißen Geister – auf. Der Reise scheinen alle Beteiligten mit Spannung entgegen zu fiebern. „Wir sind Nomaden“, spricht einer der Männer in die Kamera. Die Bedeutung dieser Worte erschließt sich bereits bei einem Besuch eines benachbarten Volkes in Namibia. Erstaunt betrachten die Ju/‘Hoansi die Zubereitung von Mehl. Der Unterschied der Lebensweisen der Menschen ist sichtlich beachtlich.
In Europa angekommen erkunden die zwei Männer und zwei Frauen, die diese weite Reise auf sich genommen haben, neugierig ihre Umgebung. Sie besuchen Plätze des Alltags – Einkaufszentren, Wälder und Volksfeste. In einer Schule in Deutschland geben sie ihr Wissen weiter. Gemeinsam geht es in die europäischen Wälder.
Eine schöne Sache, so ein Völkeraustausch, gewinnt man den Eindruck: Gegenseitig in respektvoller Umgebung voneinander lernen klingt vielversprechend, auch wenn sich bei den Ju/‘Hoansi schon bald Heimweh breit zu machen und Europa schnell vieles an Glanz verloren zu haben scheint. Denn schon bald wird die Heimreise herbeigesehnt. Wie sehr die Kultur der Ju/‘Hoansi jedoch zerstört wurde und wie hart ihr Leben in Wahrheit doch sein dürfte, erschließt sich erst im Abspann. Die aus Europa mitgebrachten Mitbringsel passen nicht in die Hütten und zur Lebensweise; die medizinische Versorgung lässt scheinbar zu wünschen übrig. Und so bleibt am Ende nach intelligenter Bonmots der Reiselustigen und liebevoll erheiternder Situationen doch ein ziemlich bitterer Nachgeschmack.
Ghostland – Reise ins Land der Geister. Ein Film von Simon Stadler, Catenia Lermer, Sven Methling. DE 2016. 86 min. OmdU
Kinostart: 3. November 2017
Termine
5.11. um 19.00 Uhr
6.11. um 20.00 Uhr
7.11 um 18.00 Uhr
9.11. und 8.11. um 19.00 Uhr
Top Kino
Rahlgasse 1
1060 Wien
www.topkino.at
© Waystone Film
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